TEXTGRÖSSE:
Heike MakatschSchauspielerin
Ein Wundermädchen


Sie ist schön, natürlich und zählt zu den wenigen jungen deutschen Schauspielerinnen von internationalem Format: Heike Makatsch im Gespräch mit Jörg Steinleitner – über Mädchen-Fantasien, das Sprengen von Konventionen und ihre Kindheit mit Pippi Langstrumpf


Jörg Steinleitner:  Frau Makatsch, haben Sie sich als Mädchen auch rote Haare und viele Sommersprossen gewünscht?

Heike Makatsch:  Ja, ich war sogar mal Pippi Langstrumpf zu Karneval. In Düsseldorf, da feiern wir ja Karneval, da bin ich als Pippi Langstrumpf gegangen – mit Draht in den Haaren und meine Mutter hat den Kajal ausgepackt und mir Sommersprossen gemalt.

Jörg Steinleitner:  Trugen Sie eine rote Perücke?

Heike Makatsch:  Das waren meine echten Haare, die waren dann natürlich blond und nicht rot. Aber ich hatte auch noch so einen schwarzen und einen geringelten Strumpf an, und Schuhe meines Vaters … (lacht) Wie sich das gehört für eine Pippi Langstrumpf!

Jörg Steinleitner:  Erinnern Sie sich noch, wie und wann Sie Pippi Langstrumpf kennen lernten?

Heike Makatsch:  Nein, das weiß ich ehrlich gesagt nicht mehr, ich glaube, dass ich so früh damit in Berührung kam, dass sie eigentlich allgegenwärtig war. Immer! Und ich weiß, dass ich damals im Kindergarten war, als ich mich als Pippi verkleidete, das heißt da war ich ungefähr drei oder vier. In diesem Alter muss ich sie also schon gekannt haben.

Jörg Steinleitner:  Wissen Sie noch, ob Sie Pippi in Buchform, als Hörbuch oder Filmfigur kennen lernten?

Heike Makatsch:  Auch das weiß ich nicht genau. Aber als ich jetzt die Bücher für das Hörbuch gelesen habe, habe ich gemerkt, dass ich die Wortlaute noch genau im Ohr hatte. Außerdem erinnere ich mich noch gut an diese kleinen blauen kompakten klumpigen Pippi-Langstrumpf-Bücher. Ich weiß gar nicht, ob’s die noch gibt – ich glaube, die werden gerade eben abgelöst. Und auch diese Pippi Langstrumpf, die da drauf gezeichnet war, die ja eher so ein längliches Gesicht hatte, ist, glaube ich, jetzt neu gezeichnet worden. Diese traditionelle alte Pippi auf den kleinen blauen Büchern, die war mir auch sehr vertraut. Die nächste Generation Kinder wird die vielleicht gar nicht mehr kennen.

Jörg Steinleitner:  Das wäre aber schade.

Heike Makatsch:  Na ja, wenn die Mütter dann vielleicht doch mal in ihrer alten Spielzeug-Truhe stöbern, dann taucht vielleicht auch noch einmal so ein altes blaues Pippi-Langstrumpf-Buch auf.

Jörg Steinleitner:  Waren Sie als Mädchen vom Typ her eher eine Pippi oder eher eine Annika?

Heike Makatsch:  Ich glaube, ich war eine gesunde Mischung aus beiden. Ich war schon ganz brav und hing sehr an meinen Eltern, aber ängstlich war ich nicht. Also denke ich, ich war so eine Mischung: Dass ich einerseits eigenständig war und Spaß am Entdecken hatte, aber andererseits auch getan habe, was mir gesagt wurde.

Jörg Steinleitner:  Frech waren Sie also nicht?

Heike Makatsch:  Nein, aber laut. Man kann es vielleicht sogar vorlaut nennen.

Jörg Steinleitner:  Welches ist Ihre liebste Pippi-Langstrumpf-Episode?

Heike Makatsch:  Ich mag sehr, wie sie den Spunk sucht. (lacht) Da muss ich jedes Mal laut lachen: Wie sie alles umdreht und ankuckt und versucht, herauszufinden, was der Spunk ist. – Und da gab es noch eine Geschichte, bei der habe ich fast ein bisschen geweint – also meine Augen haben sich mit Tränen gefüllt: als Pippi fast mit ihrem Vater auf Weltreise gegangen wäre und damit Annika und Tommy verlassen hätte. Das ist auch eine tolle Geschichte. Oder auch, als der Vater in die Villa Kunterbunt kommt, direkt aus dem Taka-Tuka-Land: auch super! Ach, es gibt so viele schöne Geschichten!

Jörg Steinleitner:  Was bedeuten Ihnen die Pippi-Langstrumpf-Geschichten heute?

Heike Makatsch:  Ich finde, dass sie immer noch sehr modern sind, dass Pippi immer noch ein Mädchen ist, das einen die Augenbrauen hochziehen lässt, das einen überrascht: Was sie sich alles einfallen lässt! Und es gibt nichts an ihr, wo ich jetzt sagen würde: Da wurde sie von der Zeit eingeholt. Sie ist noch immer kein ganz normales junges Mädchen, sondern ein Wunderwesen: einerseits fast eine Heilige, die für Gerechtigkeit einsteht und auch über die Wunderkräfte verfügt, die sie braucht, um diese Gerechtigkeit durchzusetzen – und auf der anderen Seite eine Anarchistin. Zwischen diesen Polen pendelt sie hin und her. Ja, sie ist ein Wundermädchen! – Und was das für heute bedeutet: Ich denke immer noch, dass sie eine moralische Instanz ist, dass sie den Kindern ein alternatives Leben vorlebt und ihnen den Mut geben kann, zu sich und ihren Ideen und Fantasien zu stehen.

Jörg Steinleitner:  Als Astrid Lindgren ihre Pippi-Geschichten erstmals einem Verleger anbot, lehnte der ab, weil er fürchtete, dass seine eigenen kleinen Kinder sich Pippi zum Vorbild nehmen würden. Gibt es Eigenschaften, die Sie selbst an Pippi Langstrumpf für bedenklich halten?

Heike Makatsch:  Na ja, sie hat schon mehr als eine gesunde Prise Egoismus – sie macht wirklich was sie will, was zum Teil vielleicht dazu führt, dass ihr Sozialverhalten ein bisschen leidet. Aber auf der anderen Seite hat sie eine ganz besondere Lebenssituation und in der muss sie schließlich ja auch „ihr Mädchen stehen“. Da muss sie sich ja ihre eigenen Regeln machen! Ich denke, dass Pippi eigentlich niemandem etwas zu Leide tut, sondern höchstens die Konventionen so sprengt, dass es für ein paar Menschen schmerzhaft wird. Aber dann sollten die sich vielleicht eher von ihren Konventionen lösen.

Jörg Steinleitner:  Meine 4-jährige Tochter legt, seit sie Pippi-Fan ist, die Füße auf den Tisch und behauptet auch vor Fremden, ihre kleine Schwester sei ein Affe, der Herr Nilsson heißt. Haben Sie einen Tipp?

Heike Makatsch:  (lacht) Ich denke, das wächst sich alles aus.

Jörg Steinleitner:  War das bei Ihnen auch so, dass Sie die Pippi damals nicht nur im Karneval gespielt haben, sondern auch zu Hause?

Heike Makatsch:  Das kann schon sein. Aber meine Eltern waren auch immer sehr tolerant und offen dafür, dass ich meine Spielereien und Fantasien auslebe. Insofern bin ich da nicht an so viele Grenzen gestoßen, an die ich mich jetzt erinnern könnte.

Jörg Steinleitner:  Seit Januar sind Sie selbst Mutter einer Tochter. War dies auch ein Argument für Sie, dieses Pippi-Langstrumpf-Hörbuch zu machen?

Heike Makatsch:  Nicht wirklich – ich habe davor ja auch schon „Mary Poppins“ und „Fergus Crane“ eingesprochen und dabei habe ich gemerkt, dass ich gerne Kinderbücher lese. Mir macht das einfach Spaß, in Kinderbücher einzutauchen. Außerdem kann man als Sprecher dann auch ein bisschen mehr mit den Stimmen mitgehen und das Ganze mit einer größeren Begeisterung vortragen. Insofern hat es sich aber gut gefügt, als ich wusste, dass meine Tochter das dann auch in ihrem Kinderzimmer hören kann.

Jörg Steinleitner:  Ist es denn etwas völlig anderes ein Hörbuch für Kinder aufzunehmen als eines für Erwachsene?

Heike Makatsch:  Ich finde schon. Bei einem Hörbuch für Kinder hat man noch mehr das Gefühl, dass man einem Kind etwas vorliest. Man möchte das Kind unbedingt dranhalten. Bei einem Erwachsenen-Hörbuch würde man sich vielleicht ein bisschen mehr zurücknehmen.

Jörg Steinleitner:  Also bringen Sie da noch mehr …

Heike Makatsch:  … noch mehr Farbe rein, ja.

Jörg Steinleitner:  Sie werden dann sicher auch Ihrer Tochter Geschichten vorlesen, jetzt, mit einem guten halben Jahr, ist sie vielleicht noch ein bisschen zu klein?

Heike Makatsch:  Nein, das geht schon. Sie findet es jetzt schon ganz toll, Bücher anzukucken und sich anzuhören, was man ihr dazu erzählt.

Jörg Steinleitner:  Hören Sie selbst auch Hörbücher?

Heike Makatsch:  Ja, das mache ich auch ganz gerne: wenn ich nähe zum Beispiel – ja, eigentlich in erster Linie, wenn ich Handarbeit mache, dann höre ich gerne Hörbücher.

Jörg Steinleitner:  Gibt es ein bestimmtes Genre, das Sie besonders gerne hören?

Heike Makatsch:  Nicht unbedingt ein Genre, aber vielleicht doch eher so die Klassiker, weil ich mir die nicht als Buch durchlese.

Jörg Steinleitner:  Planen Sie in der nächsten Zeit weitere Projekte, vielleicht einen neuen Film?

Heike Makatsch:  Sicher ist, dass ich im nächsten Jahr die Hauptrolle in einem Kinofilm über Hildegard Knef spielen werde.

Jörg Steinleitner:  Frau Makatsch, vielen Dank für das Gespräch.



Das Interview wurde in Auszügen abgedruckt im HörBuch-Magazin 2007/2.

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