TEXTGRÖSSE:
Andreas FröhlichHörspieler
„Eigentlich ist ein Hörbuch eine Droge"


Andreas Fröhlichs Stimme ist Kult. Seit 27 Jahren spricht er Bob Andrews von den "drei ???". Außerdem lieh er in Peter Jacksons "Herr der Ringe" nicht nur dem Gollum seine Stimme, sondern führte auch die Synchronregie für die deutsche Fassung. Ein Gespräch über die Schauspielerei, Salinger, Träume und Kai Meyers Hörbücher.


Jörg Steinleitner:  Herr Fröhlich, ich habe gerade meiner Freundin erzählt, dass ich Andreas Fröhlich interviewen werde. Dann meinte Sie: „Aha.“ Das war mir zu wenig Reaktion. Ich sagte Ihr also: Das ist der Bob Andrews von den drei ???! „Echt, das ist ja cool!“, war dann die Reaktion. Wie absurd fühlt es sich für Sie an, dass Sie, obwohl Sie mittlerweile als deutsche Synchronstimme mehrerer Hollywood-Stars bekannt sind und etliche erfolgreiche Hörbücher gemacht haben, immer wieder auf Ihre Rolle als Bob Andrews in "Die drei ???" angesprochen werden?

Andreas Fröhlich:  (lacht) Absurd ist es eigentlich gar nicht mehr. Ich habe mich über die Jahre daran gewöhnt. Das ist, glaube ich, einfach ganz natürlich. Wir haben das 27 Jahre lang gemacht mit den "drei ???", diese Geschichten um Justus, Peter und Bob haben schon zweieinhalb Generationen konsumiert. Das schafft natürlich Identifikation. Ich kann das nachvollziehen. Ich glaube, das wird mich auch noch ein bisschen länger verfolgen, das wird nicht in den nächsten Jahren verfliegen. Es wird immer wieder Leute geben, die sagen: „Sag mal, vor vielen, vielen Jahren habe ich 'Die drei ???' gehört, ist das wirklich war, bist du der Bob gewesen damals?“ Und dann kann ich sagen: „Ja.“ Ich finde, es gibt schlimmere Sachen, auf die man angesprochen werden kann. Bob Andrews stört mich da am allerwenigsten.

Jörg Steinleitner:  Sie sind also nicht genervt?

Andreas Fröhlich:  Nein, ich bin da gar nicht genervt. Die Figur hat mich lange begleitet, ich mag sie auch gerne und – sie gehört einfach dazu. Das ist eigentlich doch was Schönes, dass jetzt auch immer noch Leute nachwachsen, die das hören: Jetzt sind es mittlerweile schon die Kinder der alten Fans, die die Geschichten von ihren Eltern verstaubt vom Dachboden klauben und in den Kassettenrecorder packen und dann infiziert werden mit einer Leidenschaft, die ähnlich ist der Leidenschaft, die ihre Eltern auch hatten. Das ist doch eigentlich eine ziemlich irre Sache. Dieses Phänomen gibt’s, glaube ich, nur bei den "drei ???".

Jörg Steinleitner:  Ist es ein Vorteil oder ein Nachteil, bereits mit 13 eine derart erfolgreiche Sprecherarbeit abgeliefert zu haben?

Andreas Fröhlich:  Es war insofern vorteilhaft, als ich nie Klinken putzen musste in diesem Metier. Ich bin da richtig rein gewachsen. Ich war nicht jemand, der sich irgendwann dazu entschlossen hat, Schauspieler zu werden und dann Abi gemacht hat und eine Schauspielschule besucht hat. Ich bin ein Autodidakt, ich bin da richtig rein gerutscht, was sehr, sehr schön ist. Auf der anderen Seite habe ich gar keinen richtigen Beruf erlernt. (lacht) Ich bin letztendlich nichts geworden. Ich bin der und mache das, was ich schon immer gemacht habe. Und wer kann von sich behaupten, mit sieben schon zu wissen, was er machen will und das dann zum Beruf zu machen! Es gibt da ja eigentlich nur diese „Ich-will-Feuerwehrmann-werden-Karrieren“, aber die wenigsten von denen werden dann auch wirklich Feuerwehrmänner.

Jörg Steinleitner:  Was wären Sie denn geworden, wenn Sie kein Schauspieler geworden wären?

Andreas Fröhlich:  Meeresbiologe. Das war mein zweites Standbein. (lacht) Aber es hat sich schnell herauskristallisiert, dass meine Chancen als Meeresbiologe auf dem internationalen Markt jetzt nicht so waren, dass ich wirklich das hätte machen können, was ich machen wollte, nämlich vor Ort im Wasser tauchen und Meeresbiologe sein. Ich hätte dann wahrscheinlich irgendwo in einem Labor vor mich hingeprepelt, aber ich war damals eben auch schon von Jacques Cousteau infiziert. Diese ganze Welt von Jacques Cousteau war natürlich nur eine Phantasiewelt. Ich habe dann doch eher die Phantasiewelt des Hörspielers ausgelebt.

Jörg Steinleitner:  Könnten Sie allein von den Einnahmen der "drei ???" überleben? Sind Sie ein reicher Mann geworden durch "Die drei ???"?

Andreas Fröhlich:  Nein, ich bin kein reicher Mann geworden. Das überschätzt man immer so ein bisschen, was man damit verdienen kann. Ich mache ja auch noch viele andere Sachen dazu, weil nur diese Monokultur, das würde mich auch so ein bisschen stören. Stellen Sie sich mal vor: Sechsmal im Jahr treffen wir uns in Hamburg und gehen dann da für einen Tag oder zwei ins Studio und nehmen die neue Folge auf, und dann soll ich sonst gar nichts mehr tun? Nur warten bis das Konto voll wird? Das wäre ein bisschen einsam und sehr, sehr langweilig.

Jörg Steinleitner:  Sie haben eine Tochter. Weiß die, wie berühmt die Stimme Ihres Vaters ist?

Andreas Fröhlich:  Nein, das weiß sie noch nicht, sie ist erst gerade zweieinhalb Monate alt. Aber ich möchte auch nicht, dass sie auch in diese Fußstapfen tritt. Meine Frau ist auch Schauspielerin und eigentlich habe ich so ein bisschen was dagegen. Das ist schon eine komische Welt. Ich hatte sehr viel Glück, meine Frau hatte auch sehr viel Glück, aber ich fände es dann ganz gut, wenn meine Tochter etwas Anständiges machen würde.

Jörg Steinleitner:  Aber das ist doch für viele Menschen ein Traumberuf!

Andreas Fröhlich:  Ja natürlich, aber es gibt unglaublich viele arbeitslose Schauspieler, die den Traum hatten, das zu machen und die hätten doch vielleicht irgendwas anderes machen sollen, denn jetzt zerbrechen sie an ihrem Traum. Und das möchte ich meiner Tochter ersparen. Ich hatte da einfach sehr viel Glück.

Jörg Steinleitner:  Welcher Ihrer Berufe macht Ihnen am meisten Spaß: der des Sprechers, des Synchronregisseurs oder Schauspielers?

Andreas Fröhlich:  Für mich ist das eigentlich immer derselbe Beruf. Ich sitze ja immer hinter einem Mikrophon. Mein Spaß hängt immer vom Projekt ab. "Herr der Ringe" zu machen, das war zum Beispiel eine große Ehre. Das hat unglaublich viel Spaß gemacht. Da habe ich die Synchronregie gemacht und den Text übersetzt und dann auch noch die Rolle des Gollum gesprochen; das waren drei Sachen auf einmal und wenn sich das dann miteinander so wunderbar verbindet, dann passt das.

Jörg Steinleitner:  Was macht denn ein gutes Hörbuch aus?

Andreas Fröhlich:  Die Geschichte muss wirklich gut sein, sie muss packen – obwohl, wenn ich darüber nachdenke: Ich habe mir auch schon Hörbücher gekauft – ich sammle leidenschaftlich Hörbücher und Hörspiele – ich habe auch schon Hörbücher gekauft, wo mich die Geschichte überhaupt nicht interessiert hat, wo ich mir nur die Sprecher ausgesucht habe. Es gibt Sprecher, die können mir auch nur ein Telefonbuch vorlesen – ich lausche dann einfach dem Klang der Stimme. Und die Geschichte ist dann ganz unwichtig. Das ist aber nur bei mir der Fall. Bei den meisten muss die Geschichte stimmen und der Erzähler auch und dann muss irgendwas passieren im Kopf. Es muss „klack“ machen, wenn man die CD einlegt oder das Radio anmacht und jemand fängt an, eine Geschichte zu erzählen; dann braucht man erstmal ein paar Minuten, um sich darauf einzulassen, aber wenn dann dieser magische Moment kommt, wenn dann wirklich Welten entstehen aus so einem Nebel heraus – plötzlich sich Umrisse kristallisieren, dann gibt es, glaube ich, nichts Schöneres. Dann sind mir Hörbücher noch lieber als Filme. Das Tolle am Hörbuch ist ja, dass bei jedem Menschen, der sich diese Geschichte anhört, völlig unterschiedliche Bilder entstehen. Es wird die eigene Phantasie angeregt. Und die ist bei jedem anders. Das macht so ein Hörbuch einzigartig. Eigentlich ist ein Hörbuch eine kleine Droge, eine Eskapistendroge.

Jörg Steinleitner:  Von welchem Sprecher würden Sie sich bestens unterhalten auch ein Telefonbuch vorlesen lassen?

Andreas Fröhlich:  Ich bin ein ganz großer Peter Fitz-Fan. Er hat eine ganz eigene Diktion, er hat eine ganz bestimmte Art zu sprechen und er entführt mich einfach. Ich bin witzigerweise auf Peter Fitz das erste Mal aufmerksam geworden, als ich die französischen Filme mit Michel Serrault gesehen habe. Er hat damals Michael Serrault gesprochen und ich fand, die waren so grandios synchronisiert. Ich habe mir dann alle Filme mit Michel Serrault besorgt, um immer wieder diese Stimme zu hören. Es gibt keinen, der das Wort „Scheiße“ so wunderbar aussprechen kann wie Peter Fitz, wenn Michel Serrault sich aufregt und „Merde“ sagt.

Jörg Steinleitner:  Wir hören Sie auch im Kino regelmäßig – als Stimme von Hollywoodstars wie John Cusack, Ethan Hawke Edward Norton – kommt es vor, dass fremde Leute stutzen, wenn sie Ihre Stimme hören?

Andreas Fröhlich:  Das passiert relativ häufig. Interessant ist für mich immer: Die Leute kucken mich an und ich merke sofort, dass irgendwas in ihnen arbeitet. Sie hören die Stimme, aber sie kriegen mein Gesicht nicht zusammen mit der Stimme. Und dann entsteht so eine leichte Irritation und die finde ich dann immer ganz amüsant. Meist kommt dann irgendwas: „Sagen Sie mal, ich kenne Ihre Stimme doch irgendwoher?“ Dann sage ich: „Ja, aha?“, und lasse sie raten und da kommen dann ganz interessante Sachen dabei raus. Manchmal denke ich dann: So okay, jetzt weiß sie es langsam, die ist so Jahrgang 1968, sie wird jetzt gleich sagen: „Irgendwas mit den 'drei ???'“ – Dann kommt aber manchmal was ganz anderes, zum Beispiel: „Ich kenne Ihre Stimme aus 'Ally McBeal', Sie sind da irgend so ein Anwalt.“ Und ich hatte schon längst vergessen, dass ich bei Ally McBeal mal einen Auftritt als Synchronsprecher hatte! Na ja, jeder kennt eben die Stimme daher, wo er sie gehört hat. Es gibt Leute, die haben ein unglaubliches Stimmengedächtnis und -gehör und dann gibt es Leute, die erkennen das überhaupt nicht. Ja, das passiert relativ häufig.

Jörg Steinleitner:  Sie machen viele Fantasy-Hörbücher. Sind Sie ein Fantasy-Fan?

Andreas Fröhlich:  Ich bin ehrlich gesagt kein großer Fantasy-Fan. Ich finde Fantasy gut, ich bin ein großer "Herr der Ringe"-Fan, aber ich mag jetzt nicht alle Fantasygeschichten. Vielleicht hat man irgendwann diese Stimme von mir mit Fantasy in Verbindung gebracht und denkt: „Der hat das einmal gemacht, der kann das beim nächsten Buch wieder machen.“ Das weiß ich nicht. Das macht natürlich schon Spaß, so was vorzulesen: Große Welten und unterschiedliche Figuren und dann treffen Zwerge auf Drachen oder irgendwelche Irrsinnsmonster. Das ist schon schön. Aber ich mache auch nicht alle Fantasygeschichten. Viele sage ich ab, weil ich finde, dass das nicht zu inflationär werden darf. Weil ich natürlich auch noch andere Geschichten lesen möchte. Da muss man ein bisschen aufpassen. Das ist wie im Fernsehen, dass man dann irgendwann auf die Rolle des Bösewichts abonniert ist und dann bis zum Ende nichts anderes mehr macht. Das darf natürlich nicht der Fall sein. Im Großen und Ganzen mag ich Fantasy ganz gerne, aber nicht ausschließlich.

Jörg Steinleitner:  Welches ist das von Ihnen eingespielte Hörbuch der Hörcompany, das Sie am meisten lieben?

Andreas Fröhlich:  Ich finde "Die Kurzhosengang" großartig, weil das eine ziemlich irre Geschichte ist. Ich fand diese Idee ja erst einmal total „ballaballa“ – dass es auch noch den deutschen Jugendliteraturpreis bekommen hat, fand ich dann noch verrückter. Ganz abgesehen davon ist die Geschichte toll. Eine Geschichte zu erzählen aus vier Perspektiven, das fand ich schon sehr gelungen. Und dann ist natürlich auch die Idee der Hörcompany toll, auf die Stimmen der "drei ???" zurückzugreifen. Das ist ein sehr witziges Buch. Und es hat auch so ein paar Stellen, die nicht politisch korrekt sind, aber gerade das macht ja auch den Reiz eines Buches aus. Ich finde das sehr, sehr gut. Und ich mag natürlich auch diese Kai Meyer-Geschichten – "Die Wellenläufer" oder auch "Seide und Schwert"; das ist eben auch so eine Welt für sich. Kai Meyer ist auch ein großartiger Autor, der in der Lage ist, diese phantastischen Welten wunderbar zu beschreiben; und wir sind mittlerweile ja auch ein Team geworden. Wir mögen uns auch persönlich sehr gerne. Kai Mayer-Bücher, die haben schon einen ganz gewissen Reiz.

Jörg Steinleitner:  Die Hörbuch-Welt ist einer der fruchtbarsten Bereiche des Buchhandels. Kaum in einem Feld wird derart viel experimentiert. In welche Richtung würden Sie als Sprecher und Synchronregisseur weiterarbeiten, wenn Sie auf nichts und niemanden Rücksicht nehmen müssten?

Andreas Fröhlich:  Es gibt ganz viele Sachen, die man noch nicht so gemacht hat. Eines meiner letzten Experimente war, dass ich im Zuge der DER DREI MÄRCHEN für die Lauscherlounge H.C. Andersens "Standhaften Zinnsoldaten" gelesen habe – aber absolut dekonstruiert. Ich habe ihn völlig auseinander genommen und neu zusammengesetzt. So etwas ist, glaube ich, auch noch nicht gemacht worden. Es ist so eine Art Hybrid aus Hörspiel und Hörbuch entstanden, eine einzige Collage. Collagen gibt es auch schon viele, aber so in der Form glaube ich noch nicht. Das ist ein Experiment und ich bin glücklich darüber – als ich das fertig gehört habe, habe ich mich kaputt gelacht. Es wird auf jeden Fall polarisieren, es ist nicht für jeden was, aber es ist sehr, sehr interessant. Dabei habe ich festgestellt: Es gibt noch so viele Sachen, die man machen kann, wenn man Hörbücher aufnimmt, wenn ich das jetzt aber verrate, dann (lacht) … Also, es gibt noch ein paar Sachen, die ich gerne machen möchte. Auch, was Techniken angeht, wie man Hörbücher präsentieren kann.

Jörg Steinleitner:  Vielleicht auch irgendein Stoff?

Andreas Fröhlich:  Ja, eine Geschichte möchte ich auf jeden Fall noch mal lesen und ich habe sogar vor, (lacht) bis nach Neuengland zu pilgern, um dann irgendwann J. D. Salinger zu bitten, dass ich doch bitte den "Fänger im Roggen" lesen darf. Kein Mensch kommt an Salinger ran, obwohl es schon seit Jahren unglaublich viele Verlage und Leute versuchen. Und wenn Sie mit Salinger befreundet sind (lacht), würde ich Sie bitten vielleicht mal für mich anzuklopfen. Diese Geschichte ist so großartig. Das wäre für mich eigentlich der größte Traum.

Jörg Steinleitner:  Herr Fröhlich, vielen Dank für das Gespräch.



Das Interview wurde in Auszügen abgedruckt in HörbuchMagazin 2007-I.

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