Pünktlich zu seinem 60. Geburtstag am 29. Februar 2008 legt Martin Suter einen neuen Roman vor, der alles enthält, was ein gutes Buch braucht: eine sehr schöne junge Frau, einen Mann aus besten Kreisen und ein wertvolles Gemälde. Leider möchte die junge Frau sich das Leben nehmen.
Jörg Steinleitner: Herr Suter, herzlichen Glückwunsch noch nachträglich zu Ihrem Geburtstag – und auch zu Ihrem neuesten Werk "Der letzte Weynfeldt", das wir in einer Nacht gelesen haben. Was fühlt ein Mann mit 60 Jahren, das ein 30-Jähriger nicht fühlen kann?
Martin Suter: Jeden Knochen im Leib.
Jörg Steinleitner: Ist dieser runde Geburtstag für Sie denn überhaupt von Bedeutung?
Martin Suter: Da ich an einem 29. Februar geboren bin, sind Geburtstage in einem Schaltjahr schon etwas Besonderes. Und dieser Fünfzehnte hat’s in sich.
Jörg Steinleitner: Ihr Held Adrian Weynfeldt, selbst erst Mitte 50, räsoniert über lebensverlängernde Maßnahmen. Hat er Recht, wenn er sagt, dass Regelmäßigkeiten lebensverlängernd wirken?
Martin Suter: Ich bin selbst unentschieden, ob es die Regelmäßigkeit oder die Abwechslung ist. Meine Frau und ich haben uns für den Kompromiss der regelmäßigen Abwechslung entschieden.
Jörg Steinleitner: Wie denken Sie über den Tod?
Martin Suter: Ich fürchte ihn. Weniger den eigenen als den meiner Lieben.
Jörg Steinleitner: Stellt man sich mit 60 ganz besonders die Frage – was habe ich in meinem Leben noch nicht gemacht, das ich noch machen will?
Martin Suter: Ich stelle fest, dass ich, je älter ich werde desto öfter Lust bekomme, Dinge noch einmal zu machen, die ich schon einmal gemacht habe.
Jörg Steinleitner: Sie blicken mittlerweile auf ein beachtliches Gesamtwerk zurück. Scheinbar schwerelos bewegen Sie sich zwischen schonungslos-vergnüglichen Geschichten aus der "Business Class" und Romanen zu ernsten Themen wie "Small World", wo Sie sich den Themen Alzheimer und Nationalsozialismus zuwenden. Welches Verhältnis haben Sie zu Ihren Büchern, wenn Sie einmal veröffentlicht sind?
Martin Suter: Sie gewinnen seltsamerweise immer mehr Distanz. Mit der Zeit ist es, als hätte sie jemand anderer geschrieben. Der Unterschied ist demnach, dass mir das neuste immer das ist, welches mir am nächsten ist. Es gibt aber auch andere Unterschiede. "Small World" ist für mich zum Beispiel auch deshalb sehr wichtig, weil der Roman mir meine späte Karriere als Romancier ermöglichte.
Jörg Steinleitner: Weynfeldt zeigt sich in jeder Situation großzügig – bis zur Selbstaufgabe. Wie wichtig ist Großzügigkeit, und wann besonders?
Martin Suter: Ich halte Großzügigkeit für eine sehr wichtige Eigenschaft. In allen ihren Ausformungen, also von der Freigiebigkeit bis zur Toleranz.
Jörg Steinleitner: Tage mit depressiven Stimmungen nennt Weynfeldt für sich „Zeitlupentage“. Gibt es Zeitlupentage in Ihrem Leben?
Martin Suter: Sie sind bei mir zum Glück sehr selten. Und wenn sie eintreffen, haben sie einen Grund. Damit lässt sich leichter umgehen als mit den grundlosen.
Jörg Steinleitner: Ihr Held ist ein Kunstexperte und -sammler. Was bedeutet Ihnen persönlich Kunst?
Martin Suter: Ich bin weder Experte noch Sammler, aber in meinem Freundeskreis hat es immer auch Künstler gegeben, und von diesen besitze ich Arbeiten, die mir viel bedeuten.
Jörg Steinleitner: Ihr Protagonist wird von Lorena, einer rund 30 Jahre jüngeren Schönheit, mehrfach versetzt und ausgenützt. Sie beschreiben das sehr anschaulich. Hat Sie schon einmal eine Schönheit versetzt? Was empfehlen Sie dem versetzten Mann?
Martin Suter: Klar, wen nicht? Was ich empfehle? Haltung bewahren, keine Zeitlupe aufkommen lassen.
Jörg Steinleitner: Herr Suter, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview wurde abgedruckt in buchSzene 2008/1.
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