Der berühmte Schriftsteller plaudert im Interview offen über seine intimsten Geheimnissse: Wer in seiner Familie die Hosen anhat, was sein Sohn von Vaters Arbeit hält und welche Ängste ihn plagen.
Jörg Steinleitner: Herr Hacke, Sie schreiben sehr viel über das Familienleben. Wer hat bei Ihnen zu Hause die Hosen an?
Axel Hacke: Das ist bei uns ausgewogen. Ich glaube, wir haben eine gute, moderne Beziehung, in der man diskutiert. Wir sind beide nicht die einfachsten Menschen und müssen vieles auf komplizierte Art ausmachen. Eine eindeutig definierte Machtverteilung gibt es bei uns aber nicht.
Jörg Steinleitner: Was bedeutet Ihre Familie für Sie?
Axel Hacke: Ich habe gerne Leute, die mir Sicherheit geben im Leben, für die ich sorgen kann. Dass ich so viel über das Familienleben schreibe, liegt daran, dass das mein Alltag ist. Ich bin nicht an Kindererziehung oder Beziehungen besonders intensiv interessiert. Es ist einfach das Leben, das ich führe. Und es liefert mir die Geschichten, die ich schreiben kann. Als ich den "kleinen Erziehungsberater" geschrieben hatte, bin ich oft in Talkshows eingeladen worden – als Experte für Kindererziehung. Das habe ich immer abgelehnt. Ich bin das nicht. Ich bin lediglich jemand, der Geschichten schreibt. Und es ist reiner Zufall, dass die Geschichten mit Kindern zu tun haben.
Jörg Steinleitner: Sie haben einen 7-jährigen Sohn. Realisiert er, dass sein Vater einen besonderen Beruf ausübt?
Axel Hacke: Er weiß, dass ich schreibe. Was das bedeutet, weiß er nicht so genau. Manchmal kommt er mit einem Buch an, z.B. "Harry Potter" und fragt dann: "Hast du das geschrieben?" – "Nein", sage ich, "das habe ich leider nicht geschrieben, sonst bräuchte ich nicht mehr so viel zu arbeiten." Oder er kommt mit "Karlsson vom Dach" und sagt: "Schreib doch das mal." Dann sage ich: "Das ist doch schon geschrieben." Für ein kleines Kind ist Schreiben schwerer fassbar, als wenn ich Polizist wäre und Verbrecher fangen würde.
Jörg Steinleitner: Wie sieht ein typischer Arbeitstag in Ihrem Leben aus?
Axel Hacke: Ich stehe sehr früh auf, weil mein Sohn zur Schule geht. Ich sitze also um acht Uhr im Büro. Dann lese ich erst einmal eineinhalb Stunden Zeitung. Danach beantworte ich Post. Langsam taste ich mich so an den Tag ran. Gegen halb elf fange ich an, mir Gedanken über den Text zu machen, den ich schreiben will. Wenn ich so eine Kolumne für "Das Beste aus meinem Leben" schreibe, sitze ich manchmal einfach eine Stunde lang nur da und überlege mir, was für eine Art von Geschichte zu dem Gefühl passt, das ich an diesem Tag habe. Gegen zwei fange ich an zu schreiben – bis vier.
Jörg Steinleitner: Das sind nur zwei Stunden?
Axel Hacke: Ich schreibe gar nicht lange. Und ich schreibe schnell. Gerade diese kürzeren Texten sollen so einen gewissen Sound haben. Und nachmittags um vier treffe ich dann Leute, unternehme noch irgendetwas. Ich brauche es auch sehr, dass ich einfach mal eine Stunde nur so rumsitze. Ich sitze gerne rum.
Jörg Steinleitner: Das ist ein sehr geregelter Tagesablauf?
Axel Hacke: Ja natürlich, ich bin ja nicht ein Bohemien, sondern führe ein bürgerlich diszipliniertes Leben. Neulich hat mich mein Arzt gefragt, ob ich eigentlich jeden Tag arbeite. Da bin ich fast vom Stuhl gefallen! Er dachte, ich schreibe nur, wenn mir etwas einfällt. Es fällt einem aber nur etwas ein, wenn man am Schreibtisch sitzt. Es fällt mir nichts ein, wenn ich Spazieren gehe oder wenn ich saufe. Schreiben ist einfach Arbeit. Inspiration ist der geringere Teil.
Jörg Steinleitner: Mögen Sie eigentlich Tiere?
Axel Hacke: Im Realen nicht. Ich habe nie ein Haustier gehabt. Mein Sohn hat jetzt ein Meerschweinchen. Das allerdings lieben wir alle sehr. In meinen Kolumnen kommen ja immer wieder Tiere vor, auch habe ich "Hackes Tierleben" geschrieben. Aber wenn ich da über Tiere schreibe, dann meine ich eigentlich Menschen. Die Tiere stehen für menschliche Charakterzüge.
Jörg Steinleitner: Haben Sie Angst vor Hunden?
Axel Hacke: Ja. Ich kann zwar eine ganze Menge über Hunde sagen, weil ich viele Fachbücher über Hunde lese. Aber der Hund im Konkreten ist mir unheimlich. Vor allem im Zusammenwirken mit dem Menschen. Der Mensch wird ja, wenn er einen Hund hat, selber zum Hund. Denn der Hund sieht den Menschen nicht als Menschen, sondern als anderen Hund, als Wesen, dem man sich im Rudel unter- oder vielleicht sogar überzuordnen hat.
Jörg Steinleitner: Fällt Ihnen manchmal kein Thema für eine Kolumne ein?
Axel Hacke: Ich habe immer Angst davor. Und weil ich diese Angst habe, sammle ich ständig Themen. Diese Angst ist ein Zentrum meines Lebens, weil ich diese Kolumne schreiben muss. Aber gerade weil ich diese Angst habe, passiert das eben nicht. Sie pusht mich, lässt das Adrenalin nach oben schießen und lässt mich arbeiten.
Jörg Steinleitner: Andere Ängste?
Axel Hacke: Die Angst, kein Geld mehr zu haben. Oder die Angst, nicht mehr präsent zu sein. Für mich ist die schiere Existenzangst einer der stärksten Motoren überhaupt. Ich weiß nicht, ob ich, wenn ich reich wäre und nicht arbeiten müsste, dann wirklich schreiben würde.
Jörg Steinleitner: Die Kolumne wird irgendwann auslaufen – sehen Sie diese Zeit mit Sorge?
Axel Hacke: Ich sehe mein ganzes Leben ständig mit Sorge. Insofern sehe ich die Zeit, in der die Kolumne ausläuft mit Sorge, ich sehe auch die Zeit, in der die Kolumne noch läuft mit Sorge, ich sehe alles mit Sorge.
Jörg Steinleitner: Herr Hacke, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview wurde abgedruckt in buchSzene 2003/I.
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