TEXTGRÖSSE:
Cordula StratmannModeratorin und Improvisationskünstlerin
Hypochondrie für Anfänger


Cordula Stratmann über Ärzte, Schädeldecken, Rinderbandwürmer und ihr neues medizinisch-philosophisches Live-Hörbuch.


Jörg Steinleitner:  Frau Stratmann, Ihr neues Hörbuch "Wie schnell wird aus einem Schnupfen eine offene TB" ist allen Menschen mit hypochondrischen Tendenzen gewidmet. Aber mal ganz ehrlich: Wie kann man denn Verständnis dafür haben, dass eine Vielzahl von Menschen Toilettentüren nur mit dem Fuß oder dem Ellbogen öffnet?

Cordula Stratmann:  Ganz einfach: Weil die ja auch wiederum für den, der danach die Toilette benutzt, nicht weiter an der Verkeimung dieser Türklinke mitwirken.

Jörg Steinleitner:  Sie selbst werden, wie wir hören, von einem lästigen Fontanellen-Jucken geplagt. Kann man das nicht operieren?

Cordula Stratmann:  Ich habe mehrfache Operationen hinter mir, im Moment laufe ich mit der Schädeldecke von Carolin Reiber ’rum, aber stelle fest, dass die auch Fontanellen-Jucken hatte. Es steht mir also noch eine schwierige OP bevor!

Jörg Steinleitner:  Was hat es mit den Synopsen-Hüpfern auf sich, die Ihre Lebensqualität so stark beeinträchtigen?

Cordula Stratmann:  Na ja, das kennen ja wahrscheinlich alle Leute, die viele Gedanken parallel im Kopf haben: Da springt oft der eine zum andern und der andere ist aber schon weg zum dritten Gedanken – und das ist eine regelrechte Jagd im Kopf.

Jörg Steinleitner:  Stichwort Arbeitsplatz: Sie warnen auch Menschen, die ihre Arbeit lieben, vor allerlei Gefahren. Wovor müssen wir uns denn besonders fürchten?

Cordula Stratmann:  Vor zu viel Arbeit und vor zu wenig Arbeit. Das ist ein sehr komplexes Thema, was Sie da ansprechen.

Jörg Steinleitner:  Sie meinen, wir sollten das jetzt nicht vertiefen …?

Cordula Stratmann:  … also zu viel Arbeit kann ein starkes Bluten der Augen hervorrufen und zu wenig Arbeit setzt den Bewegungsapparat langfristig außer Kraft. Das ist von wenig Nutzen.

Jörg Steinleitner:  Um Gottes Willen! – Wechseln wir lieber zu einem erfreulicheren Thema: Sie sind auch Expertin in Sachen Rinderbandwurm.

Cordula Stratmann:  Rinderbandwurm? Oh! – Ja?!

Jörg Steinleitner:  Haben Sie schon einmal einen gefangen? In Ihrem Hörbuch thematisieren Sie das ja …

Cordula Stratmann:  … gut, ich selber äußere mich in dem Hörbuch nicht viel zum Rinderbandwurm, ich könnte an dieser Stelle das „Merkblatt für Ärzte“ des Bundesinstituts für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin zitieren …

Jörg Steinleitner:  … wenn Ihnen das Thema jetzt zu heiß ist, können wir das auch überspringen.

Cordula Stratmann:  Nein, nein – lassen Sie es mich so formulieren: Der Rinderbandwurm grassiert im Moment in Großstädten, da wo viele Speisen – wo viel gespiesen wird …

Jörg Steinleitner:  Und er ist ja auch sehr lang.

Cordula Stratmann:  Er ist sehr lang und kann zum Beispiel mit dem Unterleib an dem einen Restaurant vorbeikommen – da ist er mit dem Halswirbel schon an einem ganz anderen Restaurant; und Ratten haben mittlerweile viel Angst vor diesem Rinderbandwurm.

Jörg Steinleitner:  Er attackiert auch Ratten?

Cordula Stratmann:  Ja, das tut er. Und die Forscher vermuten, dass er danach gleich den Menschen attackiert.

Jörg Steinleitner:  Oh weh! Da können dann auch Ärzte nicht mehr helfen …

Cordula Stratmann:  … Ärzte können schon lange nicht mehr helfen. Das, was die Hypochonder wissen und an Vorsichtsmaßnahmen propagieren, da sind Ärzte schon lange abgehängt.

Jörg Steinleitner:  Würden Sie denn sagen, dass man sich heute noch bedenkenlos operieren lassen kann?

Cordula Stratmann:  Auf keinen Fall! Oft passiert es ja, dass alles wieder verheilt ist und man kann wieder normal ’rumgehen, aber dann klappert es im Bauch. Dann sind natürlich verschiedene Bestecke drin liegengelassen worden, weil der Arzt mittlerweile ja auch schon 18 Stunden ununterbrochen operiert hat. Das kann man dem Arzt jetzt auch gar nicht vorwerfen, dass der mal so ’ne Zange und Schere und Skalpell im Bauch liegen lässt. Der muss ja auch irgendwann mal Schluss haben!

Jörg Steinleitner:  Kann man sich gegen so etwas irgendwie absichern?

Cordula Stratmann:  Vielleicht, indem man vor der Operation noch einmal darauf hinweist: „Herr Doktor, in meinem Fall – ich möchte das nicht.“

Jörg Steinleitner:  Im Hörbuch empfehlen Sie auch, dass man sich vor und nach der Operation wiegen sollte.

Cordula Stratmann:  Ja, ja, in meinem Hörbuch werden Sie einige Tipps finden, wie Sie in diesem Dschungel von Gefährlichkeiten – wie Sie da halbwegs gesund durchkommen.

Jörg Steinleitner:  Sie greifen mit Ihrem Hörbuch auch massiv die deutschen Bad-Hersteller an. Weshalb?

Cordula Stratmann:  Weil es unhaltbar ist, dass man eine der Lieblingsfragen der Ärzte nicht mehr beantworten kann, weil man des Blicks auf den eigenen Stuhl beraubt wird durch diese Schnellspüler, oder wie heißt das? Die Senkrechtspüler oder so.

Jörg Steinleitner:  Sie regen also an …

Cordula Stratmann:  … zurück zur alten Schale! Dringend! Gerade Darmerkrankungen werden ja häufig nicht ernst genug genommen. Die sind aber Dreh- und Angelpunkt, Herr Steinleitner.

Jörg Steinleitner:  Ihr Hörbuch ist ja nicht rein medizinisch konzipiert …

Cordula Stratmann:  … ja, nicht rein medizinisch (Frau Stratmann lacht ziemlich heftig) …

Jörg Steinleitner:  … sondern auch philosophisch. Sie ließen sich von Ingo Naujoks und Gustav Peter Wöhler assistieren, die mit ihren Vorträgen beweisen, dass sogar berühmte Denker an furchtbaren Leiden litten. Was können wir aus Michel de Montaignes Aufzeichnungen und denen anderer Geistesgrößen über die Verdauung lernen?

Cordula Stratmann:  Na ja, die berühmten Denker sind halt die, die nicht einfach oberflächlich ihr Leben bestreiten und immer nur denken, das wird schon alles gut gehen; sondern diese berühmten Menschen, die wir da zitieren, die haben sich ja tief in das Leben eingegraben – und dann kann man die Augen nicht vor diesen Erfahrungen verschließen. Dann ist man seiner Verdauung natürlich sehr nah. Nur Menschen, die ein sehr flüchtiges Leben führen, flüchten auch vor ihrem Gesundheitszustand. Das wird irgendwann übel zuschlagen!

Jörg Steinleitner:  Das heißt, Ihr Hörbuch ist auch als Plädoyer zu verstehen, großen Denkern bis in Ihren Darm zu folgen.

Cordula Stratmann:  Ja, so! Ja, ja, ja, das finde ich einen sehr guten Aufruf! Sehr guter Aufruf! Dem kann ich mich anschließen, Herr Steinleitner, schreiben Sie das bitte so.

Jörg Steinleitner:  Auch Andy Warhol, Harald Schmidt und Franz Kafka gelten als Hypochonder. Ist Hypochondrie ein Merkmal des Genies?

Cordula Stratmann:  Ich bin fast davon überzeugt.

Jörg Steinleitner:  Gut, kommen wir nun zu den Rettungsankern: Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?

Cordula Stratmann:  Keine. Wenn man einmal den Weg der Hypochondrie beschritten hat, dann wird es eigentlich nur noch immer diffiziler und differenzierter. Man beginnt mit dem Darm und die natürliche Folge dessen ist, dass man sofort mit jeder Speise hadert.

Jörg Steinleitner:  Welche Gefahren drohen am häufigsten?

Cordula Stratmann:  All die im Alltag … mit den öffentlichen Toiletten; Speisen, die man im Restaurant zu sich nimmt, die man eben nicht selber zubereitet hat, wo man nicht genau weiß, was ist da ’reingetan worden. Zugluft droht überall.

Jörg Steinleitner:  Ja?

Cordula Stratmann:  Zugluft ist ein ganz wesentlicher, gefährlicher Faktor.

Jörg Steinleitner:  Was kann die bewirken?

Cordula Stratmann:  Im Extremfall, wenn man sich allzu häufig der Zugluft aussetzt, wird irgendwann der Kopf ganz abfallen.

Jörg Steinleitner:  Oh Gott!

Cordula Stratmann:  Ja, ja, dann löst sich der Kopf vom Nacken.

Jörg Steinleitner:  Frau Stratmann, wir sind schon am Ende unseres Gesprächs – bitte geben Sie uns einen letzten Tipp!

Cordula Stratmann:  Seien Sie um Gottes Willen vorsichtig!

Jörg Steinleitner:  Frau Stratmann, vielen Dank für die Beratung.



Das Interview wurde in Auszügen abgedruckt im HörBuch-Magazin 2007/2.

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