Die Schwedin Liza Marklund, Jahrgang 1962, schreibt nicht nur fesselnde Krimis, sie nutzt ihre Popularität auch, um die Gesellschaft zu verändern. Ein Gespräch über Männer, Macht und ihren neuen Roman "Nobels Testament".
Jörg Steinleitner: Mrs Marklund, in Deutschland findet derzeit eine Debatte darüber statt, welche Aufgaben Frauen und Männern zukommen. Wie sieht für Sie die ideale Gesellschaft der Zukunft aus?
Liza Marklund: Die beste gesellschaftliche Investition ist es, eine hochwertige Ganztagsbetreuung für Kinder zu entwickeln. Dies stärkt nicht nur Immunsystem und soziale Kompetenz, die Gesellschaft erhält so auch für wenig Geld motivierte und hochqualifizierte Arbeitskräfte – die Frauen.
Jörg Steinleitner: Sie sind schön, erfolgreich, Mutter, Ehefrau und vertreten in der Öffentlichkeit ohne Rücksicht auf Verluste Ihre Meinung. Gibt es Männer, die Angst vor Ihnen haben?
Liza Marklund: Ich glaube nicht, dass Männer vor mir als Frau Angst haben, aber einige fürchten sicherlich meine Meinung – und das sollten sie auch! Denn je gerechter unsere Gesellschaft wird, umso mehr werden die Frauen an Einfluss gewinnen. Die brillantesten Frauen werden die Plätze der dümmsten Männer einnehmen. Natürlich haben die Angst! Aber am Ende wird jeder davon profitieren; jeder, außer diese dämlichen Männer, die ihre Machtstellung erst gar nicht hätten bekommen dürfen.
Jörg Steinleitner: In Schweden veröffentlichen Sie Ihre Bücher, die mittlerweile in 115 Ländern erscheinen, in dem von Ihnen gegründeten „Piratenverlag“ Piratförlaget. Das Besondere an Ihrem Verlag ist, dass er seine Autoren zu 50 Prozent an den Erlösen beteiligt. Sind Sie eine Kommunistin?
Liza Marklund: Gott, nein, ich bin keine Kommunistin! Aber ich habe auch kein besonders ausgeprägtes Interesse an Geld. Deshalb kann ich den Autoren mehr als üblich zahlen. Natürlich ist das umstritten – schließlich sind einige Familien in Schweden durch das Ausbeuten armer Schriftsteller reich geworden; und seit mein eigener Verlag sehr erfolgreich ist, bin ich denen ein Dorn im Auge …
Jörg Steinleitner: In Ihrem neuen Krimi "Nobels Testament" versucht Ihre Heldin, die Journalistin Annika Bengtzon, den Mord an einem Stammzellenforscher und Nobelpreisträger aufzuklären. Um Stammzellen zu bekommen, ist die Zerstörung embryonaler Zellen notwendig. Andererseits besteht die Hoffnung, dass die Stammzellenforschung die Heilung schwerer Krankheiten ermöglicht. Welche Position vertreten Sie selbst in diesem Streit?
Liza Marklund: Ich bin derselben Meinung wie der Rest der Welt – mit Ausnahme der extrem rechtskonservativen Christen, die man normalerweise im Umfeld von George Bush findet: Zellen haben keinen menschlichen Wert. Sie sollten dazu verwendet werden, Heilmittel für tatsächlich existierende und leidende Menschen zu finden.
Jörg Steinleitner: Neben der Stammzellenforschung handelt Ihr neuer Krimi von den kriminellen Machenschaften der Pharmaindustrie, von Kindesmissbrauch, von Wissenschaftlern, die bereit sind über Leichen zu gehen, von einer engagierten Mutter in einer männerdominierten Gesellschaft. Wie finden Sie Ihre Themen?
Liza Marklund: Ich schreibe über Dinge, die mich derart bewegen, dass ich ihnen nicht mehr auskomme. Mein Lektor nannte meine Romane einmal „Freskos unserer Zeit“. Das hat mir gefallen. Aber ich versuche meine Bücher auch spannend zu machen, weil ich finde, dass die Leser, die bereit sind, in meine Gedankenwelt einzutauchen, auch eine packende Geschichte verdienen.
Jörg Steinleitner: Mrs Marklund, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview wurde in Auszügen abgedruckt in Krimi. Das Magazin für Wort und Totschlag 2007. www.wortundtotschlag.de
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