TEXTGRÖSSE:
Hans KorteSchauspieler
„Die Moral weggebürstet“


Der große Schauspieler, der u.a. in „Der große Bellheim“ und „Der König von St. Pauli“ mitspielte über Musik, Idealismus und das von ihm vorgelesene Hörbuch zu Patrick Süskinds „Das Parfum“.


Jörg Steinleitner:  Herr Korte, mit Ihrem neuesten Hörbuch leihen Sie Patrick Süskinds "Das Parfum" Ihre Stimme. Das Buch dominierte neun Jahre lang die Bestsellerlisten, die Verfilmung füllt gerade die Kinosäle der Welt. Geht man da als Schauspieler mit einem anderen Gefühl, mit einer anderen Konzentration ins Studio als bei einem nicht so bekannten Werk?

Hans Korte:  Nein, eigentlich nicht. Das entscheidende Kriterium ist, das Buch muss einem selber gefallen. Mir fällt das Lesen dann wesentlich leichter und es gibt Autoren, die schreiben so, dass man selbst dem Geschriebenen gegenüber fremd ist. Das wäre nicht so gut. Aber der Patrick Süskind hat mir sehr gut gefallen und ich fand das Buch ungeheuer spannend und aufregend. Ich habe es sehr gerne gelesen.

Jörg Steinleitner:  Was zeichnet für Sie dieses Buch aus?

Hans Korte:  Eine völlig irreale Handlung, ganz überzeugend so darstellen zu können, als wäre sie Realität, das ist verblüffend. Das macht die Geschichte noch geheimnisvoller. Bei Süskind ist die Realität durch die Irrealität verwandelt.

Jörg Steinleitner:  Grenouille, die Hauptperson dieses phantastischen Stücks Literatur, ist ein eiskalter Mörder und dennoch sind wir vom ersten Augenblick an fasziniert von ihm. Können Sie sich erklären, woran das liegt?

Hans Korte:  Ja, da hat der Autor die Moral von der Geschichte richtig weggebürstet. Die Sache ist nicht unmoralisch, sondern amoralisch. Es fehlt jede Moral. Was man da als Moral erwartet, ist eine ganz merkwürdige, grausame Naivität.

Jörg Steinleitner:  Wie gehen Sie an ein neues Hörbuch heran? Ist das vergleichbar mit der Vorbereitung auf einen neuen Film oder ein neues Stück?

Hans Korte:  Nein, es ist eigentlich nicht vergleichbar, weil man es beim Vorlesen ja nur mit Sprache zu tun hat. Und Spreche lebendig zu machen und Zuhörer zum Mithören zu bewegen, ist etwas ganz anderes. Mit Sprache umzugehen, ist eine sehr schöne Sache und sie lebendig zu machen, wenn man sie vorliest, das ist spannend. Man ist sehr ehrgeizig das zu schaffen. Zunächst ist man aber eine ganze Weile gar nicht zufrieden mit dem, was man von sich selbst da hört, das ist ein schwieriger Weg, aber immer sehr spannend.

Jörg Steinleitner:  Müssen Sie das Sprechen des Textes für ein Hörbuch vorher auch „proben“, laut sprechen – oder ist das eine stille Vorbereitung?

Hans Korte:  Beides. Man muss sich in einem späteren Stadium der Vorbereitung den Text auch laut vorlesen. Das gibt dann einen ganz anderen Rhythmus.

Jörg Steinleitner:  Welches Diogenes-Hörbuch hat Ihnen als Interpret bislang am meisten Freude bereitet?

Hans Korte:  Freude bereitet ist der falsche Ausdruck. Ich habe besonders gerne Den "Vater eines Mörders" gemacht.

Jörg Steinleitner:  Und weshalb?

Hans Korte:  Erstens einmal habe ich das vor Jahren im Fernsehen gespielt und zweitens gehört das zu einem Themenkreis, der mich schon seit sehr vielen Jahren interessiert. In dem Moment, wo man den Vater von Heinrich Himmler zu packen kriegt und auf diese Weise etwas tiefer in den Heinrich Himmler selbst hineinsteigen kann, wird das natürlich zu einer aufregenden Sache.

Jörg Steinleitner:  Sie selbst sind studierter Musiker und Dirigent. Wie wichtig ist Ihre Musikalität für Ihren Erfolg als Sprecher und Schauspieler?

Hans Korte:  Das spielt sicher eine große Rolle, aber definieren kann ich das ja eigentlich gar nicht. Allerdings höre ich bei anderen Schauspielern, wenn sie sprechen, ob sie musikalisch sind. Ganz unmusikalische Menschen gibt es ja nicht, aber es gibt welche, die sind sehr wenig musikalisch und das hört man, glaube ich ziemlich deutlich.

Jörg Steinleitner:  Ihre Frau ist ja auch Schauspielerin und singt auch …

Hans Korte:  Ja, meine Frau kann das sehr gut. Schauspieler kommen ja manchmal in die Verlegenheit singen zu müssen und wenn die das nicht können, dann ist das furchtbar.

Jörg Steinleitner:  Sie spielen auch Instrumente …

Hans Korte:  Ich spiele Klavier und ich habe auch mal ganz gut gespielt, aber durch eine Handverletzung musste ich es aufgeben und seither habe ich es auch nicht mehr angefangen. Wenn man einmal ganz ordentlich gespielt hat und dann stümpert man herum, das ist entsetzlich. Das habe ich mir verbeten. Seitdem spiele ich auch kein Klavier mehr.

Jörg Steinleitner:  Wollten Sie schon immer Musiker und Schauspieler werden oder hatten Sie als Jugendlicher auch noch andere Berufe im Sinn?

Hans Korte:  Nein, ich habe keine anderen Berufe im Sinn gehabt, ich bin seit meinem sechsten Lebensjahr in diesem Beruf und so hatte ich gar keine Gelegenheit gehabt einen anderen Beruf zu ergreifen.

Jörg Steinleitner:  Haben Sie es auch nie bereut, Schauspieler geworden zu sein?

Hans Korte:  Später ist dann schon mal in meinem Hirn der Beruf des Musikers aufgetaucht, aber außerhalb der Musik oder der Schauspielerei habe ich nie einen Beruf in Betracht gezogen.

Jörg Steinleitner:  Was ist für Sie dasjenige an Ihrem Beruf, Ihrer Kunst, was sich seither am meisten geändert hat?

Hans Korte:  Verändern tut sich Gott sei Dank auch das Verhältnis zum Beruf. Da gibt es verschiedene Stadien, vom naiven Idealismus, bis zur möglichst perfekten Professionalität.

Jörg Steinleitner:  Und in der Schauspielerei allgemein?

Hans Korte:  Das ist wie Fontane sagt, „ein weites Feld“, da hat sich so ziemlich alles verändert. Das hat mich ja auch dazu gebracht, mich von dem Beruf zu entfernen. Und diese Entfernung hat mich nicht einmal angestrengt, ich habe sie nicht willentlich vollzogen, eher hat sich der Beruf von mir entfernt.

Jörg Steinleitner:  Was genau ist denn heute anders?

Hans Korte:  Man arbeitet anders, die Umgebung verändert sich und die Organisation, da hat sich wirklich sehr viel geändert.

Jörg Steinleitner:  Das heißt, wenn man Ihnen heute eine Film- oder Theaterrolle anbieten würde, dann …

Hans Korte:  Ich habe neulich einen Versuch gemacht und der ist für mich selbst wenigstens komplett schief gegangen.

Jörg Steinleitner:  Was war das für ein Projekt?

Hans Korte:  Ich bin froh, wenn es niemand weiß.

Jörg Steinleitner:  Welche weiteren schauspielerischen und anderen Projekte planen Sie für dieses und das kommende Jahr?

Hans Korte:  Ich habe so zwei oder drei Hörbuch-Projekte, ansonsten bin ich sauber geblieben.

Jörg Steinleitner:  Werden Sie sich "Das Parfum" im Kino ansehen?

Hans Korte:  Ja, auf diesen Film bin ich wirklich sehr gespannt. Den Duft kann man ja nicht darstellen, da bin ich gespannt, wie die das machen werden.

Jörg Steinleitner:  Herr Korte, vielen Dank für das Gespräch.



Das Interview wurde abgedruckt in Hörbuch Magazin 2/2006.

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